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Überlieferung der Leopoldschen Haus-Chronik und Edition

Georg Leopold (1603/1676) begann nach 1628 damit, eine Chronik der Ereignisse um Marktredwitz zu schreiben. Erst Ende 1675 brach er mit der Niederschrift ab; im folgenden Jahr starb er. Offenbar wollte aber kein in Marktredwitz lebender Erbe die Haus-Chronik fortführen. Der Sohn Christian Leopold (1644/1730) bekam spätestens 1722 das Manuskript. Am 30. Mai ergänzte er die Chronik um einen letzten Satz, der den Todestag Georgs erwähnte. Christian Leopold war damals brandenburg-bayreuthischer Geheimrat, hatte aber am Hof nur noch wenige Pflichten. Zu einem unbekannten Zeitpunkt kam das Manuskript in die Kanzleibibliothek Bayreuth.

Ein weiteres Manuskript in zwei Teilen ging in die Handschriftenabteilung des Staatsarchivs Bamberg ein. Sie befinden sich heute sich dort heute im Bestand Markgraftum Brandenburg-Bayreuth, Geheimes Hausarchiv Plassenburg Nr. 3325[1] Das Bayreuther Manuskript kam in den letzten Jahren an die Universitätsbibliothek Bayreuth und steht heute im Bestand Kanzleibibliothek Bayreuth, Manuskript 19.

Während des Ersten Weltkriegs berichtete ein Archivar und Nachfahr Georg Leopolds erstmals wieder der Öffentlichkeit von der Hauschronik. Seit damals wurde sie oft als Quelle herangezogen.[2]
Hermann Braun (1909/2005) betrieb seit den 1950er Jahren den Nachdruck des Bayreuther Manuskripts.[3] 1985 bis 1960 kam es zu einem Vorabdruck im Heimaterzähler (Wochenbeilage des Marktredwitzer Tagblattes). Aufgrund der Nachfrage konnte Braun über das Volksbildungswerk der Stadt Marktredwitz mit der Edition beginnen. 1961 erschien der erste Band von „Marktredwitz im 30jährigen Krieg, Leopold’sche Hauschronik“ und 1963 der zweite.
Das Manuskript enthielt allerdings noch weitere Abschriften von Dokumenten und anderen Büchern, die Braun nicht mit abdruckte. Einige Teile davon veröffentlichte er in anderen Sammlungen.[4]
1985 erfuhr die Edition eine größere Neuauflage. Durch das verwendete photomechanische Verfahren litt leider die Lesbarkeit.

Brauns große Leistung bestand darin, das Original nicht nur zu transkribieren, sondern auch behutsam der Schreibung und dem Sprachgefühl der Leser der 1960er Jahre anzupassen. Anders als in modernen Editionen ergänzte Braun den Originaltext mitunter mit modernen Worten [in Klammern], die das Textverständnis erleichtern sollten. Wenn Leopold nach Brauns Verständnis Buchstaben ausgelassen hatte, ergänzte er diese (in Klammern). Selbst ließ er oft Buchstaben fort, die der Rechtsschreibung des 20. Jahrhunderts widersprachen und selten ließ er sie in Klammern gesetzt stehen.[5] Das kommt dem Leser entgegen, der aus Lust diese Heimatgeschichte liest. Für wissenschaftliche Auswertungen ist es jedoch nötig, die Originaltexte zu lesen, weil die Ergänzungen teilweise den Sätzen einen anderen Sinn geben. Darüber hinaus gliedern im Original Zwischenüberschriften am Seitenrand den Text, die in der Edition fehlen.
Beispielsweise beschreibt Georg Leopold in seinem letzten Lebensjahr drei Wunder in Marktredwitz. Braun ließ aber das Wort „Prodigia“ am Seitenrand weg. Das heißt aber Vorzeichen, also sah Leopold die Wunder als himmlische Fingerzeige auf seinen eigenen Tod.
(In den Beispielen auf dieser Homepage, werden die Originalmanuskriptseiten transkribiert. Abweichungen zu Braun sind grün markiert. Abweichend zum Original wird v im entsprechenden Fall als modernes u wiedergegeben. Satzzeichen werden modern gesetzt, Großbuchstaben bei Substantiven verwendet und lateinische Abkürzungen aufgelöst.)
Brauns zweite große Leistung war ein umfangreiches Register anzulegen, dass der Leser Themen, die ihn interessieren, lesen kann. Das Ortsverzeichnis, das Namensregister und der Sachweiser sind immer noch sehr hilfreich. Nur für wenige Eigennamen haben sich inzwischen andere Schreibweisen durchgesetzt. (Rajcovič beispielsweise statt Rackowitz oder Reyckowitz bei Leopold)

Die Chronik war Grundlage vieler wissenschaftlicher Aufsätze.[6] Die Fülle der Informationen erschwert umgekehrt auch die Lesefreude, weil der Leser sich immer wieder durch subjektiv langweilige Passagen kämpfen muss (wie beispielsweise die ständigen Durchmärsche von kleinen militärischen Einheiten). So blieb trotz der Bekanntheit von Georg Leopold der Absatz der Hauschronik recht klein.
In den letzten Jahrzehnten stieg aber allgemein die Nachfrage nach Selbstzeugnissen. Die Öffentlichkeit ist fasziniert von Alltagsbeschreibungen aus Zeiten, in denen es noch nicht üblich war, dass einfache Leute über ihre Leben schrieben.

Die Homepage zu Georg Leopold will dem Lustleser den Zugang zu Georg Leopolds Werk erleichtern und wissenschaftlichen Arbeiten eine Bühne geben. Die Universitätsbibliothek Bayreuth erkennt die überregionale Bedeutung der Hauschronik. Deshalb digitalisiert sie ihr Manuskript und macht es im Internet jedem zugänglich. Das 989 Seiten starke Original und die gedruckte Edition lassen sich nun einander gegenüberstellen.

Fußnoten

[1] Collectanea Leopold: Georg Leopold, fortgeführt von Christian Leopold, Haus-Chronik oder Verlauf und Beschreibung der Begebenheiten von 1627 bis 1675 in Marktredwitz, Eger und benachbarten Orten, Teil 2 ab 1649, Folioband, S. 1147-2180, 1720 (Nr. 3325); Collectanea Leopold: Georg Leopold, fortgeführt von Christian Leopold, Haus-Chronik oder Verlauf und Beschreibung der Begebenheiten von 1627 bis 1675 in Marktredwitz, Eger und benachbarten Orten, Teil 1 ab 1627, Folioband, 1146 S., 1720 (Nr. 3327), Altsignatur: A 245 I Handschriftensammlung Nr. 77/II, Staatsarchiv Bamberg, Markgraftum Brandenburg-Bayreuth, Geheimes Hausarchiv Plassenburg Nr. 3325
[2] Gebhardt, Oskar: Zur 100jährigen Feier des Uebergangs der Stadt Marktredwitz an das Königreich Bayern, Marktredwitz 1916; Sperl, August: Der Feind im Land, 5 Beiträge aus unbekannter Zeitung, 1915
[3] Hermann Braun, „Geschichts-, Lebens- und Raumbild einer bayerischen Grenzstadt“, 1955
[4] Braun, Hermann (Hg.): Monumenta Redwitzensia historica. Urkunden und Denkmäler zur Geschichte der Stadt Marktredwitz, Marktredwitz 1956.
[5] Braun ließ beispielsweise in folgendem Text die unterstrichenen Buchstaben aus dem Original und löste die lateinsichen Kürzel falsch au: „Interim wurde [1629] das ius patronatus hier strittig. Wardt deswegen baldt nach München an Chur-Bayern, baldt nach Wien, an Kay. Majestät, baldt an Bischoff nach Regensburg berichtet […] Blieb also die Pfarr unbestellet, und die Kirch verschlossen. […]Copuliern und Kindertauffen wardt uns frey gelassen, wo wir wollten. […] Dahero wir einen erbarmlichen Zustand [hatten]. Die Kirch wurde nit aufgesperrt. Kein Glock hörte man leutten. Waren also wie zerstreuet Schaf ohn ein Hirten. Jedoch wurde zu Brandt vff Befehl des Herrn Markgraffen fü. Gn. gepredigt.“ Zur Auflösung lateinischer Abkürzungen verwende: Adriano Cappelli: Lexicon Abbreviaturarum. Dizionario di Abbreviature Latine ed Italiane, Mailand: Hoepli, 1. Auflage 1899, 2. überarbeitete Auflage 1912, 3. korr. Auflage 1929, 4. Auflage als anastatischer Nachdruck mit neun weiteren Tafeln 1949, ebenso 5. Auflage 1954, ebenso 6. Auflage seit 1961 mit zahlreichen Abdrucken bis 2006.
[6] Frank, Alfred: Marktredwitz im Dreißigjährigen Krieg nach der berühmten Hauschronik des Georg Leopold (1627 - 1675), Bayreuth 1976; Frank, Alfred: Nachrichten über Exulanten, die in der berühmten "Hauschronik" des Richters und späteren Bürgermeisters Georg Leopold von Marktredwitz zu finden sind, (Archiv für Geschichte von Oberfranken Bd. 37,2), Bayreuth 1956, S. 97 – 98; Gebhardt, Oskar: Chronik von Markt-Redwitz, Dörflas und Oberredwitz, Marktredwitz 1987; Braun, Hermann: Geschichts-, Lebens- und Raumbild einer bayerischen Grenzstadt, Marktredwitz 1955; Braun, Hermann: Marktredwitz und Eger. Festvortrag ... anläßlich des Tages des Egerlandes 1961 und der 900-Jahr-Feier der Stadt Eger, (Schriftenreihe der Volkshochschule der Stadt Marktredwitz, Bd. 11), Marktredwitz 1961; Braun, Hermann: Das Egerland, das Stiftland und die Sechs Ämter. Zur Erinnerung an die 900-Jahrfeier der Stadt Eger in Marktredwitz, (Schriftenreihe der Volkshochschule der Stadt Marktredwitz, Bd. 10), Marktredwitz 1969; Berbig, Hans Joachim: Redwitz und das Reich. Ein heimatgeschichtlicher Beitrag zur Identitätsvergewisserung, Marktredwitz 1988; Berbig, Hans Joachim: Neue Geschichte von Marktredwitz. Kaiserlicher Markt Redwitz. Eine verfassungsgeschichtliche Anomalie und Modell des Alten Reiches. Euregionale West-Ost-Brückenfunktion als Folge der Zugehörigkeit zu Eger, Hof 2004

 

Die komplette Redwitzische Hauschronik in digitalisierter Form