„Geplündert aufs Hemd aber Dach überm Kopf“ (Langform)
Redwitz im Krieg ist keine Geschichte der Krieger sondern davon, unter welchen Opfern die Zivilbevölkerung überleben konnte.
In der kollektiven Erinnerung ist der Dreißigjährige Krieg eine Abfolge von willkürlichen Zerstörungen. Dieter Arzberger (2014) hat aber nachgewiesen, dass „Der Dreißigjährige Krieg im Fichtelgebirge“ nicht vom Zufall oder wahllosen Schicksal bestimmt wurde. Die Ereignisse lassen sich aus den Strategien der kriegführenden Parteien erklären und sind so durch die Militärgeschichte beschreibbar.[1]
Die Regeln des Krieges brachten aber allen Dörfern und Städten der Region Zerstörungen oder sogar ihre Auslöschung. Der Markt Redwitz ist deshalb ein Sonderfall, weil er von Brand und Massakern verschont blieb, trotz größten Leids für die Bewohner.
In Georg Leopolds Chronik werden drei Gründe dargestellt, wie die Gemeinde den Krieg überleben konnte. Gott war es vor Allem, der kein Feuer über den Ort kommen ließ und die Feinde von der Zerstörung abhielt.
Der zweite Grund für das Überleben war – so Leopolds Darstellung – dass die Bürger nicht aktiv kämpfend auf der Seite einer Partei eingriffen. Die Bürger verhielten sich passiv-defensiv und konnten sich so bei der jeweils herrschenden Partei Gnade erkaufen.
Der dritte Grund war, so Leopold, treu zum Kaiser geblieben zu sein, also auf die letztlich stärkste Partei gesetzt zu haben. Was Georg Leopold nicht explizit erwähnt, der vierte Grund, war sicherlich, dass die einzige strategische Bedeutung des Marktes war, dass es Ställe gab, in denen sich die teuren Pferde erholen konnten.
Zum ersten Punkt, der Gnade Gottes, lassen sich historiographisch einige glückliche Fügungen anführen. Gott war es vor Allem, der keine größeren Feuer im Ort ausbrechen ließ und die Feinde von der Zerstörung abhielt. Immer wieder kam es zu Feuern aus Unachtsamkeit, gerade auch weil Truppen vor den Toren Wachtfeuer angezündet hatten. 1647 wollte eine große Menge Marodeure den Markt mit Leitern erstürmen, verlief sich aber Gott-sei-dank, kreiste dann elf Tage lang um den Ort und löste sich schließlich auf.[2] Viel öfter waren aber auch reguläre Offiziere mit Soldaten innerhalb der Mauern, die drauf und dran waren, den Markt auszulöschen. Im letzten Moment griffen dann doch noch übergeordnete militärische Stellen ein. Ob das sittliche Wohlverhalten Gott gnädig gestimmt hat, lässt sich nicht belegen. Andere Gemeinden waren sicherlich nicht weniger fromm und gingen unter. Mit Gott kann man nicht handeln, welche Prüfungen er sendet – so erklärte man sich das.
Zum zweiten Punkt, der Markt verfolgte eine Politik, nicht aktiv kämpfend auf der Seite einer Partei einzugreifen. Die Bürger verhielten sich passiv und provozierten nicht, so konnten sie sich bei der jeweils herrschenden Partei Gnade erkaufen.
An den ersten Überfall 1621 erinnert Georg Leopold nicht in seiner Chronik. Im Böhmisch-pfälzischen Krieg 1618–1623 hatten die geschlagenen protestantischen Truppen unter von Mansfeld in der Pfalz überwintert und auch Redwitz beraubt. (Im dänisch-niedersächsischer Krieg (1623–1629) gab es keine Notwendigkeit Partei für Feinde des Kaisers zu ergreifen.)
Wichtiger waren für Georg Leopold die Ereignisse 1631. Der Schwedische Krieg (1630–1635) gab anfangs den Evangelischen wieder die Oberhand. Kursächsische Truppen machten 1631 Eger und das Umland wieder evangelisch. Eger fiel an die Sachsen, weil Gerber die Tore geöffnet hatten. Außerhalb des Marktes warb der Markgraf Truppen an.[3] Tausende Pfälzer zogen mit den Sachsen gegen die bayerischen Truppen. Selbst die Redwitzer ließen sich zu einem Gefecht mit Bayern hinreißen.
„Einstmals kamen bey 200 Churbayer. Reiter von Wiesau herüber.
Wir warteten nicht, bis sie uns zu nahe kamen,
sondern fielen 100 stark mit Musketen hinauf nach Pfaffenreuth
[...]
Und ob sie wohl nichts anders(t) gesonnen,
denn durch Pfaffenreuth und nach Waltersdorff (!) zu ziehen wollten […]
gaben doch unsere Leut Feuer auf sie. […]
Der große, tiefe Schnee war damals unser Glück und Leben.
Sie würden uns sonst den weg herein gewiesen und
der wenigste Teil wieder nach Haus gelanget sein.
Als es nun (eben also) an ein Schießen gangen –
denn da die Rebitzer ihr Courage,
sonderlich wie die Reiter uns den Rücken gewandt,
trefflich und männlich sehen lassen -
ist hier ein groß Lamentieren von Weib und Kindern entstanden;
[…]
Dieser freventliche und unnötige Ausfall,
welchen auch unsere Herren [Räte] treulich widerrieten,
sollte uns in Jammer und Not, auch in den Brand gebracht haben;
denn uns solches oft, sowohl von einem edlen, hochweisen Rat
der Stadt Eger - als unser hohen Obrigkeit –
[als] auch von den pfälzischen Beamten und anderen Kriegsobersten
vor eine Rebellion vorgeruckt worden.“[4]
Wenig später besetzten Kaiserlichen und Kurbayern den nicht verteidigten Markt – die erste Plünderung in Georg Leopolds Chronik. Die Redwitzer hatten die Lektion aber noch nicht gelernt. Vor dem 10. Juni 1632 sandten sie 30 Schützen nach Schirnding, um den Markgrafen bei der Verteidigung des Passes gegen die Truppen ihres eigenen Kaisers zu unterstützen. Die Organisation der Verteidigung war aber so schlecht, dass die Redwitzer wieder abzogen. Wenig später wurden alle aufgebotenen Bauern von Wallensteins Vorhut niedergemacht.
„Dieser fürwitzig und unbedachtsame Gehorsamb,
welchen wir damals frembder Herrschaft geleistet,
hätte uns diesmal bald in Brand gebracht.
Er ist uns oft vorgerucket [vorgehalten worden; d. V.]
auch vielmals einzuäschern gedrohet worden.“[4]
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Überblick
Im Dreißigjährigen Krieg (1618/1618) erlitt der Markt viele Einquartierungen und Plünderungen, doch er wurde nicht niedergebrannt.