Handlungsspielräume - Georg Leopold als Bürgermeister, Richter und Rat
Georg Leopold beschritt seinem Stand gemäß, wie viele Verwandte den Ämterweg des Marktes.
1638 stieg er zum Marktrichter auf. Vor dem Rat in Eger konnte er erst am 16.11.1640 seine „richterliche Pflicht … ablegen“ und wurde am 25. im Rathaus der Bürgerschaft vorgestellt.[1] In den Kriegsjahren stellte sich Adam Scharff vor die Gemeinde und führte sie in die Nachkriegsjahre, Georg Leopold begleitete ihn auf einigen der schwersten Wege. 1645 wurde Georg einer der Bürgermeister. In seiner Hauschronik würdigte Leopold die Taten seiner Amtskollegen, aber weil eben er das Geschichtsbuch schrieb, galt er den Marktredwitzern später als Erhalter der evangelischen Konfession im Krieg.[2] Seine Leistungen lagen vor allem in der Nachkriegszeit, schließlich war bis 1676 Bürgermeister, hatte also mit 36 Jahren das Amt am längsten inne.
Die politischen Leitlinien von Georg zu beschreiben ist deshalb schwierig, weil die Entscheidungsfindungsprozesse nicht öffentlich werden sollten. Urkunden zeichneten „Bürgermeister Richter und Rat“ als Kolleg, ohne eine persönliche Unterschrift.
Gott als Herrscher
Als Kind erlernte Georg Leopold seine politischen Grundpositionen bei Geistlichen, seinem Vater, seinem Großvater und den Lehrern in Eger. Evangelische waren zum eigenen Bibelstudium angehalten, also entwickelten sie auch auf dieser Grundlage politische Theorien. Das Alte Testament enthält aber nicht nur Geschichten der Könige, was sich Fürsten zu ihrer Rechtfertigung nutzbar machten. (Besonders in der auf Melanchthon basierenden Tradition ordnete sich die Kirche langfristig der weltlichen Obrigkeit unter.) Zu Zeiten Luthers, Calvins und der ersten Reformationen von Städten waren aber ganz andere Bibelstellen wichtig. Es waren dies die Beispiele der Richter, die Rechte der Israeliten und die alttestamentarischen Stadtgesellschaften. Hier zerstört Gott Städte wenn sie nicht nach seinen Geboten leben (Sodom, Gomorrha, Stadtkönigreiche Kanaans, Ninive, Jerusalem usw.). Nach diesen Leitlinien wollten protestantische Gemeinden ihre Gesellschaft gottgefällig umgestalten. In einer Theokratie herrschten nicht durch ihr Blut legitimiert Adelige sondern Gott und seine Berufenen.[3] Natürlich wurde es dann für eine protestantische Gemeinde auch schwer, gegen den Kaiser als gottgegebene Obrigkeit[4] zu rebellieren, wenn er nicht nachweislich der Antichrist war. Auf der Welt kamen vor ihm nur Frau und Kinder. Georg betet für alle Kaiser.[5]
Außenpolitik: Treu zum Kaiser und niemanden reizen
In seinen jungen Jahren lernte Georg auf seinen Reisen die politischen Verhältnisse in Mittel- und Nordosteuropa kennen. Kaum ein Adeliger kam auf seiner Kavalierstour von den Republiken der Niederlande über die italienischen Fürstentümer bis an die Grenze des Zarenreichs. Georg wurde zum Rat, als ein ehrgeiziger Fürst aus der benachbarten Pfalz, Friedrich V. als König von Böhmen stürzte, und Maximilian von Bayern bis an die Stadtgrenzen vordrängte. Böhmen versank im Bürgerkrieg und der Kaiser gewann wieder an Macht. Der protestantische Nachbar, der Markgraf in Bayreuth, versuchte neutral zu bleiben. Der kleine Markt konnte unter diesen Nachbarn nur bestehen bleiben, wenn er zusammenarbeitete und sich nicht in Kampfhandlungen verwickeln ließ.
Es war nicht so naheliegend, dass sich schon der junge Georg der Deeskalation und Neutralität verschrieb. Die Pfalz war vor dem Krieg evangelisch gewesen, unterstand aber jetzt dem katholischen Herzog von Bayern. Als 1631 Eger durch evangelische Sachsen besetzt war, halfen viele Pfälzer die kurbayerischen Truppen aus Tirschenreuth, Falkenberg, Weiden, Erbendorf und Kemnath zu jagen. Das verurteilte Georg Leopold als Rebellion gegen ihr neue, gottgegebene Obrigkeit. Aber selbst in der eigenen Stadt wollten 1631/1632 seine Altersgenossen gegen die Feinde des Luthertums kämpfen. Als Mitglied des Rates von Redwitz, das Eger und dem Kaiser unterstand, verbot er seinen Mitbürgern, sich an diesem Guerillakrieg für die evangelische Sache zu beteiligen.[6]
Georg Leopold war gegenüber seiner irdischen Obrigkeit, dem Kaiser, genauso treu wie als Evangelischer gegen seine himmlische.
Leopold wies Gewalt gegen reguläre Truppen zurück, weil die Stadt zu schwach, um sich gegen einen organisierten Überfall zu wehren. (Notwehr gegen Räuber war dagegen legitim.) Gekaufte Schutztruppen einer Partei (Salva Guardien) hielten keinem Angriff der eigenen Truppen oder der Feinde stand.
Was zwischen seinen Bürgern und dem Chaos stand war nur die Stadtmauer. Die realen Befestigungen suchte Leopold zu stärken und mit Verteidigern zu besetzen, um wenigstens kleine Gruppen von Plünderern abzuwehren.
Die tatsächliche Stadtmauer war aber er selbst – so sahen es später die Mitbürger.[7]
Sein Mittel die Stadt zu verteidigen war die Deeskalation und Diplomatie. Mit „Glimpf und Bescheidenheit, mit Bitten und Flehen“ trat er den Feinden und Freunden entgegen, die plündern, morden oder übernachten wollten. Nicht nur einmal stellt er sich ihnen mit Mut und Gottvertrauen vor den Toren entgegen und riskiert eingesperrt, geschlagen oder erschossen zu werden.[8] Wird er auf dem Land überfallen, deeskaliert er das mit „guten Worten“ und läuft weg.[9]
Wegen seines Geschicks als Unterhändler verhandelte Georg oft auch mit dem Rat von Eger über die Höhe der Steuern und Abgaben, später auch über die Kontributionen zur Kriegslast (auch nach dem Krieg) und mit den böhmischen Zollkommissaren. Oft musste er selbst die Kosten tragen, weil seine Mitbürger sie nicht übernehmen wollten[10]
Nach dem Krieg war sein diplomatisches Geschick besonders gefragt. 1649 musste er rechtfertigen, dass der Markt Redwitz im Krieg mit den Schweden zusammengearbeitet hatte. Georg konnte das mit dem Notstand rechtfertigen und glaubhaft machen, dass die Bürger dem Kaiser treu geblieben waren.
Schwieriger war es die Wiederaufrichtung der evangelischen Religionsausübung zu verteidigen. Der Kaiser behielt sich ja das Reformationsrecht vor (was hier die „Zurück-Bildung“ zur katholischen Religion bedeutete). Georg Leopold startete daraufhin eine diplomatische Aktion, indem er die evangelischen Reichsstände, ob Reichsstädte oder Fürsten auf seine Seite zu bringen suchte. Andererseits wollte er auch den katholischen Hof von Wien zur Anerkennung der Religionsausübung bewegen. Was nicht in der Chronik steht: Schlesien hatte das bereits erreicht. Dazu verfasste er selbst Briefe an die hohen Herren und suchte das Gespräch an fremden Höfen und auf Reichstagen und verteilte auch Geschenke. Anfangs setzte er noch seine Hoffnung auf Eger, weil die Stadt auch die Wiedereinführung der evangelischen Religionsausübung betrieb. Dem Kaiser gelang es aber, dass Eger nicht mehr als Reichsstadt geführt wurde und als ererbter Besitz der böhmischen Krone gesehen wurde. Damit konnte er Eger wieder „reformieren“, was hier rekatholisieren hieß. Die Redwitzer versuchten dann alleine den Kaiser zu einer offiziellen Anerkennung zu bewegen, mit dem Argument, dass der Markt im Reich läge; und hier waren wieder die Religionsverhältnisse von 1624 herzustellen. Sehr spät, 1653, sah Georg Leopold ein, dass es das Beste sei, „vergessen“ zu werden. Der Reformationskommissar des Kaisers, der Eger rekatholisiert hatte, sagte ihm selbst, dass der Kaiser nie ein evangelisches Redwitz anerkennen könne, aber für eine gewaltsame Rekatholisierung keine Fortsetzung des Krieges riskieren wolle. Wenn Redwitz still hielt, würde aber in Wien keiner mehr davon sprechen, und die Bürger könnten weiter evangelisch leben.
„Wenn es sich mit Redwitz nit tun ließe, mit der Reformation fortzufahren,
sollte man es beruhen lassen; wenn es der Stadt Eger nit zum Nachteil gereichen würde.“
Dieses Wort des Kaisers reichte Georg Leopold, es war sein größter diplomatischer Erfolg.[11] Zur Absicherung ließ Georg Leopold es zu, dass der Markgraf von Brandenburg den Pfarrhof, die Kirchendiener und selbst die Schule unter seine Schutzherrschaft nahm; das setzte dann Stephan Leopold um. In weltlicher Hinsicht würde Georg Leopold noch genug mit den Bayreuthern streiten, dass der Kaiser nie den Eindruck bekam, dass er illoyal sei.
Georg hätte aber nie so stark außenpolitisch wirken können, hätte er nicht die passenden familiären Kontakte gehabt. Die Chronik erwähnt eigentlich nur den Bruder, der Rat am Hofe des Rheingrafen (tatsächlich eines schwedischen Generals) war, und die geistlichen Verwandten in evangelischen Herrschaften, die zum Wohle von Redwitz auf ihre Herren und auf schwedische Befehlshaber Einfluss nahmen und auch Geld liehen. Was Leopold nur andeutet, sein Sohn aber in einer Leichenpredigt für einen anderen erwähnt. In Wien gab es auch eine Familienlinie, die nach 1670 dafür sorgte, dass es weniger Einquartierungen in Redwitz gab. Georgs Neffe Wolf war 1630 in der Fremde geboren worden. Er stieg im Umfeld des Generalleutnants Raimundo Montecuccoli zum Rittmeister in der kaiserlichen Armee auf und nahm an vielen diplomatischen Missionen teil. Von ihm erfuhr Georg Vieles über die Reise der Königin Christina von Schweden nach Rom und aus allen Ländern von England bis Siebenbürgen, die er nicht hatte bereisen können. Wolf Leopold von Löwenberg brachte Georgs Sohn Christian in Wien in der Verwaltung des Feldmarschalls Montecuccoli unter. (Umgekehrt bekamen später Wolfs Söhne durch Christian Stellen am Hof in Bayreuth.)[12] Der Einfluss, den Georg über den Neffen auf die Politik in Wien nehmen konnte, muss noch erforscht werden.
Handelspolitik – Im Frieden nicht untergehen
Georg Leopold beschreibt in seiner Chronik vor allem den Alltag in der Stadt und das protestantische Kirchenwesen. Die politischen Verhältnisse beschreibt er vertieft nur um seine Treue zum Kaiser bei gleichzeitigem Festhalten am Protestantismus darzustellen und sein Anbiedern an die Schweden zu rechtfertigen.
Leopolds Leistungen liegen also nicht nur im Bereich der Konfessions- sondern auch der Wirtschaftspolitik. In beiden sicherte er das Überleben des Marktes Redwitz.
Zwischen 1660 und 1680 drohte der Verlust der Zollfreiheiten und damit der wirtschaftliche Untergang Marktes. War der Markgraf auch der Beschützer der Protestanten, so war es ihm doch ein Dorn im Auge, dass er durch die Zollprivilegien viel Geld verlor.
Die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth (Rezesse von 1561 und 1598) und die Kurpfalz (1591) hatten den Redwitzern erlaubt Obst, Vieh und Getreide für den eigenen Bedarf – Viktualien – zollfrei auszutauschen. Außerdem hatten die Bürger noch Äcker und Weiden und brachten ihre Ernte in den Markt ohne Steuern zu bezahlen. Natürlich verlangten die Redwitzer umgekehrt von ihren Nachbarn in den nahen Dörfern (die ja zur eigenen Kirchgemeinde gehörten) beim alltäglichen Warenaustausch auch keinen Zoll. Irgendwann gab es im ganzen Bereich Brand, Oberthölau, Wölsau, und Reuthlas keine Zollüberwachung mehr.
1660 begann plötzlich die böhmische Seite für Güter aus Böhmen Zoll zu verlangen, die Redwitz vorher frei bekommen hatte. Außerdem wollte die Böhmische Kammer Ausfuhrzölle. Bürgermeister Adam Scharff konnte das abwenden, so dass die Handwerker ihre Rohstoffe (ausfuhr- und transit-) zollfrei aus Böhmen bekamen und die Haushalte ihren Eigenbedarf an Viktualien aus Böhmen, Kurbayern und der Markgrafschaft. Redwitzer Produkte die ausgeführt wurden oder fremde durchgeführte Handelsgüter mussten verzollt werden, doch die Zolleinnehmer als Bürger hielten etwas Geld am Ort.[13]
Nachdem aber jetzt Böhmen Zölle verlangte, wollten die anderen Nachbarfürsten nicht mehr auf ihre verzichten.
1661 gab es eine Missernte und Kurbayern sperrt die Ausfuhr von Lebensmitteln. Nach Verhandlungen durfte Redwitz Lebensmitteln wieder einführen, aber gegen Zoll.[14]
Zwischen 1667 und 1672 verschärfte die Markgrafschaft die Zollkontrollen und unterband den freien Transit aus Böhmen und den Austausch von Eigenbedarf zwischen Böhmen bzw. den Nachbardörfern sowie der Pfalz.[15] Die Böhmische Kammer und Eger konnten nicht helfen. Georg Leopold trat aus dem Kolleg (Bürgermeitser, Richter und Rat) hervor und setzte sich persönlich ein, bis er starb.[16] Schließlich ließ 1680 der Kaisers seine Macht spüren. Der Markgraf musste akzeptieren, dass der Güterverkehr zwischen Böhmen und Redwitz unverzollt bleiben muss. Außerdem dürfe keine Obrigkeit für Holz, Vieh und Getreide aus den Bayreuther Gebieten und umgekehrt für Waren aus Redwitz Zölle erheben.[17]
Innenpolitik - „Gottgefälligkeit und gute Policey“
Hinter den aufregenden Kriegsereignissen verschwinden Georg Leopolds innenpolitische Projekte. Georgs größte Anstrengung galt der Wiedereinrichtung der evangelischen Religionsausübung nach 1649 und dann dem Ausbau der Kirche. Darauf gehen bereits die Kapitel zur Kirche und zu den Biographien der Leopolds ein.
Die Umwandlung der Gemeinde in eine gottgefällige Gesellschaft verfolgte er in drei Bereichen.
1. Die Rechtsprechung sollte sich seinem Empfinden nach an der Bibel orientieren. Wie er das als Marktrichter im Alltag umsetzte, muss noch untersucht werden. Deutlich wird er bei den Kapitalverbrechen, die er nicht verhandeln darf, weil das nur den Gerichten von Eger zusteht. 1636 wurden zwei Ehebrecher gefasst und nach Eger gebracht.
[1] Leopold: Chronik Bd. I, S. 127; Leopold: Chronik Bd. II, S. 267, 294 f.
[2] Röttger: Kunstdenkmäler, S. 630,5; Capeller: Geschlechterbuch, S. 166,10
[3] Lingelbach: Fürstenherrschaft und Gerechtigkeit, S. 337
[4] Kutzer: en Christ-Ritter, S. 6
[5] Arzberger: Herr gib Frieden, S. 259; Leopold: Chronik Bd. II, S. 204
[6] Leopold: Chronik Bd. I, S. 15 – 21
[7] Kutzer: Christ-Ritter, S. 5
[8] Leopold: Chronik Bd. I, S. 183 – 185; Kutzer: Christ-Ritter, S. 34
[9]Leopold: Chronik Bd. I, S. 118, 212 f.
[10]Leopold: Chronik Bd. I, S. 72
[11]Leopold: Chronik Bd. II, S. 5 – 111. zitiert S. 111; Pechmann: Entstehungsgeschichte, S. 18 f.
[12] Bd. II, 93, 179, 266 f. 296 - 302. Leopold: Serium pii hominis. S. 6 f.; Wolfgang Leopold war in Münchberg am 30. März 1630 geboren worden. Sein Vater war hierher aus Redwitz geflohen und starb im Exil. Ohne Erbe sollte Wolfgang nur Schreiber werden und wurde nach Bayreuth zum markgräflich-brandenburgischen Kammersekretär Georg Julius Pristen in die Kost getan. Zu Wolf vergl.: Zedler, Universallexikon, Bd. 17, Spalte 396 - 400. Zu Christian vergl.: Fikentscher: Gelehrtes Fürstentum, S. 266 f..
[13] Der Fuhrmann musste einen „Schein“ vorweisen, auf dem Name des Bürgers, Menge, Datum und Name des Fuhrmanns zu verzeichnen sei. Es handelte sich nicht um „Freibolletten“, also Marken, die an die Güter angeplombt wurden. Nur die Bäcker hatten keinen Eigenbedarf an Mehl frei; für jedes Kar Weizen mussten sie interim 4 Kreuzer nach Böhmen abführen. Vergl. Leopold: Chronik Bd. II, S. 170 - 172.
[14] Die Dörfer von Redwitz waren teils stiftische und teils leuchtenbergische Lehen, also kurbayerisch. Vergl. Markgraf Christian Ernst an Eger, Bayreuth 18.3.1672, Cheb A 2741/21 Redwitz, Brandenburg II 1654-1804; Leopold: Chronik Bd. II, S. 187 – 191, 245 – 247;
[15] Leopold: Chronik Bd. II, S. 245 f.
[16] Der Markgraf sandte Eger einen internen Bericht. Vgl.: Kastner und Hauptmann von Wunsiedel an Markgraf Christian Ernst, 7.3.1672, Cheb A 2741/21 Redwitz, Brandenburg II 1654-1804
[17] Markt Redwitz an Gubernium von Böhmen, Redwitz 30.8.1777, Cheb A 2709 / 90; Bancogefäll Inspektorat an Eger, Abschrift Eger 8.11.1777, A 2709 / 90; Eger an Redwitz, Eger 10.11.1777, ebenda; Redwitz an Eger, Redwitz 14.11.1777, ebenda
„Der Anfang dieses Jahres [1636] hat sich bei uns ni[cht] wohl angelassen,
denn zwei Personen, so in Ehebruch begriffen [waren,
sind] eingezogen [worden, was] alsbald nach Eger einem e[dlen],
e[hrbahren], hochweisen Rat berichtet worden.
Obwohl nun viele fromme Leute gehoffet,
man würde das Übel gar aus Israel tun,
so sind doch diese Leut mit einer geringen Geldstraf davonkommen.
Weil sich dieses neue Jahr so übel anlässt, man auch Ehebruch nit
wie sichs gebührt strafen will, war zu besorgen,
Gott uns abermals mit einem bösen Jahr strafen werde.
Jedoch kann seine göttliche Barmherzigkeit um 10 um 5 willen,
welche an diesem einen Greuel und vor seiner Allmacht fromm
und gerecht gefunden werden, [uns alle] verschonen.“[1]
Georg verweist also direkt auf das Schicksal von Sodom und Gomorrha. 1653 war er hingegen zufrieden. Einerseits hatte das Gericht bestätigt, dass Kapitalstrafen wie Enthaupten für einen Mann und Stäupen für eine Frau (nicht entehrend und blutig wie Peitschen) angemessen seine. Andererseits hatte das Gericht sich bemüht, die reuige Ehebrecherin wieder in die Gemeinde zu integrieren. Sie sollte drei Tage nacheinander mit entblößten Armen vor der Türe der Bartholomäuskirche stehen sollte, in der rechten Hand eine Rute und links eine brennende Wachskerze. Diese kirchliche Buße hätte gezeigt, dass sie eine reuige Sünderin sei und wieder mit ihrem Gatten versöhnt werden könne. (Eine Scheidung war nicht vorgesehen). So hätte für Georg Leopold eine gottgefällige Buße ausgesehen. Ganz anders empfanden die Bürger dieses vor der Kirche stehen als weltliche Schandstrafe genauso wie das Stehen am Pranger, wodurch sie ehrlos erschien. Ein Ehemann, der aber auf seine Hausehre achten musste, konnte eine Ehrlose nicht wieder annehmen. Das war gerade das Gegenteil von dem, was die Richter mit der Kirchenbuße beabsichtigten. Auf Bitte ihrer Freunde wurde sie dann zu einer unauffälligen Geldstrafe von 80 fl. verurteilt. Georg resümierte:
„Der Ehemann hat diese fromme Frau wieder willinglich an- und aufgenommen.“[2]
Leopold waren aber auch die kleinen Vergehen ein Graus, weil Sünden wie Saufen, Fressen und Glücksspiel nicht zu einer gottgefälligen Gemeinde passten. Bei der Kirchweih 1645 entging ihm aber ein Adeliger und sein Unmut wird deutlich. Wolf Adam von Liliengau auf Bernstein war betrunken, stieß einem Metzger den Wurstkessel in den Dreck und ritt durch die Ware der Töpfer. Nach der Flucht durch das Tor stürzte er und blieb wie tot liegen: „Man hat die Sau auf eine Wagen gelegt und nach Hause gebracht.“ Der Richter von Waldershof als Taufpate wollte nur den Schaden bezahlen, aber nicht die Untat sühnen.[3]
2. Erziehung durch „gute Policey“ könnte man die zweite Leitlinie Georgs nennen. Georg Leopold setzte bei der Umsetzung einer „guten Policey“ Prioritäten, die soziale Kontrolle und Disziplinierung als Ziel hatten.
Als Bürgermeister setzte er Maßnahmen der „Policey“ durch, die laut seinem Nachruf nicht nur auf Gegenliebe stießen.[4] Welche es waren, muss noch erforscht werden.
Als das beste Mittel, damit die Menschen nicht „freier und ruchloser“ würden und dass „Fressen Saufen, Hurerei, Fluchen, Schwören, Stehlen, Rauben, Morden […] fast für keine Sünde und Laster mehr wollte gehalten werden“ [5] war für Georg Leopold der evangelische Gottesdienst und die Schule. Im Krieg lagen beide danieder; danach baute Georg Leopold sie aus.
In den schwierigen Kriegsjahren konnten nur wenige Kinder eine Schule besuchen und die Qualität des Unterrichts war schlecht, worin Leopold eine Ursache für den sittlichen Verfall sah. Nach dem Krieg unternahm der Rat große Anstrengungen, das Gotteshaus bei der Verbesserung und Ausweitung des Unterrichts zu helfen. Georg war wohl ein maßgeblicher Förderer. Seine Schulpolitik stand unter dem Primat der „Policey“, der Disziplinierung, nicht der Verstandesbildung.
Zur „guten Policey“ zählten auch andere Maßnahmen. In der Chronik erscheinen sie höchstens am Rand, als sei Georgs politisches Interesse in andern Feldern gelegen. Die Maßnahmen zur Seuchenabwehr und Medizinalaufsicht beschreibt er nicht.[6] Georg schreibt oft über Brände aber wenig über die Feuerpolizei.[7]
3. Das Bauen war Georgs Vorliebe.
Am stärksten setzte er sich für den Ausbau der Stadtmauer ein. Das scheint naheliegend, schließlich hing im Krieg davon das Überleben der Stadt ab.
1640 war das Stadttor mit Mauern und Annäherungshindernisse befestigt worden, um Reiterüberfälle zu erschweren. Gegen Kanonen und einen regelrechten Sturmangriff gab es keine Mittel.[8] 1641 begann Georg Leopold alleine mit der Erhöhung der Mauer und erst dann übernahm es der Rat.[9] Der Endausbauzustand 1646 (siehe seine Plan) konnte die Eroberung nicht verhindern. Nach dem Krieg wurden mit dem Holz der Befestigungen ufernahe Wege befestigt und Dämme verstärkt.[10]
Schon 1641 begann Georg Leopold mit der Verschönerung der Mauer. Am Rondell auf dem unteren Graben ließ Georg Leopold die Inschrift setzen:
„Ach wendt von uns, die krieges noth, und gib den Friedt, o Frommer Gott!“
(1646 setzter er die Tafel übers Untertor.)[11] 1642 ließ er einen weiteren Spruch in das Badtor, das damals eine Wohnung für die Wache erhielt, einmauern. 1650 setzte er noch zu Gottes Ehre einen Stein mit Wappen über das Untere Tor.[12] Das Anmalen der Inschriften übernahm er jedes Mal selbst An der Mauer baute Georg Leopold selbst im Frieden noch weiter,[13] bis zu seinem Tod. Das führte dazu, dass er in seinem Nachruf als „eigentlich Stadtmauer“ bezeichnet wurde.
Versorgungsstrukturen wie Wege und Straßen wurden unter Georgs Bürgermeisterschaft ausgebaut. 1652 baute der Magistrat am Markt zwei Röhrkästen.[14] 1656 bis 1662 erbaute Stephan Leopold zugunsten der Kirchenstiftung einen neuen Brunnen im Pfarrhof, der dem Wassermangel im Pfarrhof und am Unteren Tor abhalf und schließlich über 30 Häuser, auch in der Vorstadt versorgte. (Georgs Haus hatte aber das Vorrecht auf 1/9 allen Wassers.)[15] Nach 1655 wurden schrittweise kleine Straßenteile gepflastert, erst nahe des Pfarrhofes und der Schule (wo auch einige Bürgermeister wohnten). Ab 1663 wurden wichtige Verkehrswege, die Badergasse bis zum Brauhaus, und vom unteren Tor bis zur letzten Schmiede, befestigt. [16]
Das Rathaus wurde nach Kriegsende in Etappen renoviert. 1649/50 wurde das Innere neu ausgemalt, wobei Georg die Figuren, Schriften und Bilder entwarf. Ab 1658 begann die Renovierung und künstlerische Bemalung der Außenseite.
1663 wurde der Flaschnerturm am Rathaus zur neuen Büttelei umgebaut mit Wohnung und Gefängnis.[17] 1660 schloss der Rat die stinkende Fleischbank im Alten Rathaus und baute ein neues Schlachthaus nahe dem Fluss.[18]
Für Georg Leopold betrafen die wichtigsten Baumaßnahmen die Kirche. Der Scharff-Zweig seiner Familie hatte schon vor dem Krieg einen Kirchenstuhl und anderes gestiftet.[19] Er selbst spendete später einen vergoldeten Kelch, Gelder für Stiftungen und Kirchenstühle. Damit regte er andere an, es ihm gleichzutun und er setzte seine Ratskollegen unter Druck, das Gotteshaus mit städtischen Geldern zu unterstützen. Der Ausbau der Kirche begann gleich nachdem sie 1649 wieder von den Evangelischen in Besitz genommen worden war. Evangelische Einbauten wurden schrittweise eingebaut, Bestuhlung, Empore, Orgel. 1653 bis 1675 wurde der Außenbereich renoviert, weil Stützen, Wände, Kirchturm und Dach seit 1615 baufällig geworden waren.[20] Ab 1670 wurden eine neue Glocke aufgestellt:
„Mein Schall thut kund die feuersnoth, Dafür behüt uns lieber Gott“[21]
Der Pfarrhof wurde aufgeräumt und die Wirtschaftsbauten verkleinert. In einem Teil wurde 1658 ein neues Kaplanhaus errichtet, das bis 1662 Keller und Stall erhielt.[22]
Fußnoten
[1] Leopold: Chronik Bd. I, S. 63
[2] Leopold: Chronik Bd. II, S.113 f.
[3] Leopold: Chronik Bd. I, S. 243
[4] Kutzer: Christ-Ritter, S. 26
[5] Leopold: Chronik Bd. I, S. 88
[6] Leopold: Chronik Bd. II, S. 236 f.
[7] Leopold: Chronik Bd. II, S.97; www.feuerwehr-marktredwitz.de/wir-ueber-uns/geschichte/vor-der-gruendung
[8] Leopold: Chronik Bd. I, S. 131
[9] Leopold: Chronik Bd. I, S. 153¸ Bd. II, S.78 [10] Leopold: Chronik Bd. I, S. 257, 281 – 283; Bd. II, S.97
[11] Leopold: Chronik Bd. I, S. 153¸ Bd. II, S.78
[12] Leopold: Chronik Bd. II, S.93f
[13] Leopold: Chronik Bd. II, S. 226
[14] Leopold: Chronik Bd. II, S.97
[15] Leopold: Chronik Bd. II, S. 143 – 145, 165 f., 202
[16] Leopold: Chronik Bd. II, S. 141, 162, 200
[17] Leopold: Chronik Bd. II, S.75, S.93 f., 162, 200, 226
[18] Leopold: Chronik Bd. II, S. 177
[19] Leopold: Chronik Bd. II 122; Röttger: Kunstdenkmäler, S. 630,1; www.starks-historische-spurensuche.de/Sechsaemterland/Grabdenkmaeler/Marktredwitz/Marktredwitz_Grabdenkmaeler.htm, Fassung vom 20.3.2016
[20] Leopold: Chronik Bd. II, S.93 f., S.108, 122, 152 f, 167 f., 200 – 202, 214 – 216, 294 f. 304 – 305
[21] Leopold: Chronik Bd. II, S. 264 f.
[22] Leopold: Chronik Bd. II 152 f., 167 f., 202
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Überblick
Georg Leopold brachte in seiner Politik die Treue zu Gott, also dem evangelischen Glauben, und zum katholischen Kaiser in Einklang. Redwitz wollte er zu einer gottgefälligen Gesellschaft umformen.